Samstag, 20. Juli 2019

Saisonstart 2019

Es war einmal ein großer Verein, vielleicht sogar ein reiner Weltverein, der sich nach vielen Erfolgen einer großen Ära zu einem solchen ausgerufen hat. Als sich dieser Verein über10 Jahre nach dem letzten wichtigen Erfolg eine neue Spielstätte erschaffen hat schien es, wie zuvor auch, nur eine Frage der Zeit zu sein, bis man an die Erfolge des goldenen Zeitalters anknüpfen würde und entsprechend selbstbewusst stattete man das neue Stadion aus.
Da war die einmalige Stadionuhr, die jedem der es wissen wollte, aber vor allem auch all denen die es nicht wissen wollten unter die Nase rieb, dass man das einzige Gründungsmitglied der Bundesliga war, das nie abgestiegen ist. Unterstrichen wurde dieses Novum mit dem neuen Maskottchen. Die Hummel (die nie wirklich angekommen ist) wurde kurzer Hand durch den Dino Hermann abgelöst, welcher bei den jungen, aber auch bei vielen älteren Fans sehr beliebt ist.
So ernannte man sich selbst zum Dinosaurier, dem letzten Überlebenden der Vorbundesligazeit ungeachtet des Schicksals welches  die Dinos in freier Wildbahn ereilte.
Als Vereinshymne diente Hamburg meine Perle von Lotto King Karl, einem echten Fan (das meine ich wörtlich), der beim Wechsel des Medienpartners von Radio Hamburg zum NDR auch Stadionsprecher wurde und der mit seiner Perle zum Stadionerlebnis des Dinos gehörte und dessen Stadionhymne zu den bedeutendsten des Kontinents gezählt wurde.

Alles war auf eine Rückkehr an die Spitze der Liga oder gar des Kontinents ausgerichtet, jedoch wurden wie so oft die größten Fehler beim Erreichen des Teilerfolgs gemacht. Fehler, die ebenso wenig korrigiert wurden wie das Selbstbildnis. Der letzte Dinosaurier war immer noch ein schlafender Riese, der darauf wartete wachgeküsst zu werden und geküsst wurde er von Präsidenten, Managern, Trainern, Spielern und Förderern, die sich auf dem Weg zum Kusse die Klinke des Volksparks in die Hand gaben, der erst zur Intensivstation und schließlich zum Hospiz für das dahinsiechende Urzeittier wurde.
Aus den Titelambitionen von einst wurde die Unabsteigbarkeit zur neuen Tradition auserkoren in jedem Spiel klang „Sechsmal deutscher Meister, dreimal Pokalsieger, immer erste Liga, HSV“ durch das stets gut gefüllte Rund im Volkspark. Das Dinotum wurde zum Heiligtum. Die Uhr zur Reliquie und die Hymne wollte irgendwie nicht mehr passen. Mitgesungen wurde nach wie vor, doch suchten sich die Fans mit „Mein Hamburg lieb ich sehr“ einen Song aus, der ihre Stimmung so viel besser wiedergab.

Es kam so wie es kommen musste, nach langen Jahren des Überwasserhaltens war es aus mit der Unabsteigbarkeit, die Uhr verlor ihre Daseinsberechtigung und Lottos Perle wirkte vom Text her wie ein Fremdkörper im tristen Unterhausdasein, nur Hermann, der letzte Dino erfreute sich weiterhin seiner Beliebtheit bei jung und alt.
Trotzdem ließ man (abgesehen von einer kosmetischen Korrektur beim Zeiteisen) alles beim Alten, schließlich, so dachte man, war man einem Betriebsunfall zum Opfer gefallen und nach Behebung dieses Unfalls würde man auf dem Weg zu alter Bedeutung auf die Utensilien zurückgreifen wollen.

Nur hatte man es nicht mit einem Betriebsunfall zu tun.
Die Situation des Sommers 2018 hat man sich über eine Dekade hinweg hart erarbeitet. Selbstüberschätzung, mangelnde Kompetenz, Überheblichkeit und Fehlentscheidungen auf allen Ebenen ebneten den Weg ins Unterhaus und auch dort angekommen war man nicht in der Lage gegenzusteuern.
Man ging mit einem Trainer in die Saison, an dem man nicht glaubte, weil man niemanden die Entlassung des Sympathieträgers hätte verkaufen können. Dann gab man diesem den jüngsten Profikader der aktuellen Saison an die Hand und wartete ab, bis man die Saisonziele als gefährdet einstufen konnte, um den Trainer entlassen zu können, ohne selbst Schaden zu nehmen.

Der neue Besen, jung aber aufstiegserfahren, bekannt als Experte im TV übernahm den Kader, änderte Kleinigkeiten und holte Punkte, ohne gut spielen zu lassen. Die Leistungssteigerung sollte nach der Wintervorbereitung erfolgen und die Ausgangsposition war so gut, dass man den Kader unverändert ließ.
Aus der Leistungssteigerung wurde nichts und trotzdem ließ man sich vom Erreichen des Pokalhalbfinales und vor allem vom Derbysieg blenden. Es wurden Spieler ins Schaufenster gestellt, die verkauft werden sollten und damit in das Leistungsprinzip eingegriffen, dazu kamen die Verletzungen des Kapitäns, der allerdings schon seit Jahren als wandelnde Belastungssteuerung bekannt war. Kurz gesagt das Mannschaftsgefüge brach auseinander, dies war für jeden ersichtlich, nur die handelnden Personen handelten eben nicht.
Ach ja, das Saisonziel wurde verfehlt.

Im Sommer 2019 ging nun die Angst um, dass aus „Unabsteigbar“ binnen zwei Jahren „Unaufsteigbar“ die neue Tradition des großen Vereins mit der Raute werden könnte und man tat, was man halt tut, wenn den Verantwortlichen beim HSV die Muffe geht:
Man wechselt das Personal aus!
Da die Idee aus jungen Spielern mit Steigerungspotential eine schlagfertige Truppe zu schaffen offensichtlich nicht zum Erfolg führte, setzte man in Sachen Trainer und Kader jetzt auf Erfahrung. Umgesetzt wird der Umbau vom letztjährigen Wunschkandidaten des Vorstandsvorsitzenden, dem es seiner umstrittenen Ernennung zur Nummer Eins im Verein zum Trotz gelingt seine Hausmacht immer weiter auszubauen. So wurde für seinen ehemaligen Vize ein weiterer Posten im Aufsichtsrat geschaffen, der eigentlich nicht vorgesehen war.

Dennoch galt es Zeichen zu setzen. Es gab ein Statement der Numero Uno, dass die Situation angenommen werden müsse und das Gestern egal sei, passend dazu wurde die Uhr abmontiert und als sich die kritischen Stimmen zur Stadionhymne mehrten, wurde auch diese abgesetzt, natürlich nicht ohne streuen zu lassen, dass diese ein Teil der Stadionshow des Medienpartners sei, schließlich will man ja niemanden verprellen.
Außer halt Lotto und Pape, mit denen man sich bestimmt auf einen angemessenen Abgang hätte einigen können, wenn man es denn versucht hätte…

Ich habe die Befürchtung, dass die gesetzten Zeichen Muster ohne Wert sind, zu viele Kurse hat man in der letzten Dekade eingeschlagen, ohne das zu ändern worauf es ankommt: Die eigene Denkweise.
Noch immer glaubt man hohe Saisonziele ausgeben zu müssen, weil man dem zahlenden Publikum halt nichts anderes verkaufen kann und trifft Entscheidungen aus dem selben Grund. Man verpflichtet neue Spieler, obwohl ihre Vorgänger noch da sind. Man entlässt kritisch denkende Mitarbeiter und schafft Posten für Buddies. Man freut sich über den Andrang auf Dauerkarten, hat es aber nicht nötig auf Änderungswünsche von Fans zu reagieren.

Ja, die Zeichen zu setzen ist wichtig und ich halte diese Entscheidungen auch grundsätzlich für richtig, nur würde ich sie gerne als Boten einer Veränderung, einer längst fälligen Erneuerung sehen, nur vermag ich diese nicht einmal am fernen Horizont zu erblicken. Darauf den Kindern den geliebten Dino zu nehmen hat man mit Recht verzichtet, aber aus den Köpfen der Verantwortlichen muss der Dino endlich raus!

PS: Auch ich lag mit vielen Einschätzungen falsch, habe Hoffnungen in Personen gesetzt, die dann Enttäuschten, habe mich blenden und hinters Licht führen lassen und vielleicht haben mich diese Erfahrungen überskeptisch, oder gar zynisch werden lassen. Nur zu gerne würde (und werde) ich meinen Irrtum eingestehen, wenn sich meine Einschätzungen denn als falsch herausstellen würden, ich hoffe sogar das tun zu müssen, daran glauben mag ich nicht.