Montag, 29. Juni 2015

Ein Plan?

Das Bild, welches der HSV momentan in der Öffentlichkeit abgibt ist mit unglücklich nur unzureichend beschrieben. Sechs Abgänge aus dem Profikader hat man zu verzeichnen und dafür meinte man 500.000 Euro bezahlen zu müssen. Und der einzige fixe Neuzugang spielt schon seit einem Jahr im Verein und kostet dennoch € 6,5 mio. Das sind die Fakten und gerade der Fall Beister löste bei mir ein Kopfschütteln aus, das sich fast zu einem Schleudertrauma entwickelt hätte.
Fakt ist auch, dass es noch nie so leicht war auf den HSV einzudreschen wie heute. Und doch will ich versuchen einen Plan hinter der Vorgehensweise der handelnden Personen zu entdecken.

Wie das sprichwörtlich gebrannte Kind welches das Feuer scheut will der Vorstand vermeiden auf Personal sitzen zu bleiben, mit dem man nicht mehr plant. Um die Personalkosten zu reduzieren erklärt man sich sogar bereit Teile des Gehaltes als Abfindungen zu zahlen. Ob diese Maßnahme notwendig ist vermag ich nicht abschließend zu beurteilen, doch scheint dies gerade im Falle Beister nicht der Fall gewesen zu sein.
Gerne wird jetzt das Beispiel Marcus Berg herangezogen, der nach seinem Abgang vom HSV wieder traf und auch bei Maxi Beister ist davon auszugehen, dass er früher oder später wieder in Tritt kommen wird, doch selbst wenn dies schon in der kommenden Saison der Fall sein sollte, bedeutet es nicht, dass ihm das auch beim HSV gelungen wäre.

Zeitgleich sollen die Verträge mit Ivo Ilicevic (wohl fix) und Gojko Kacar zu aus Vereinssicht stark verbesserten Bezügen verlängert werden. Zwei Spieler, die schon mehrmals ausgemustert waren, die man jedoch nicht los wurde.
Ilicevic hat zuletzt nicht nur Beister, sondern auch Nicolai Müller aus der Startelf verdrängt, Kacar setzte sich gegen Jiracek und van der Vaart durch. Man kann also davon ausgehen, dass es Labbadias Wunsch war diese beiden Spieler zu halten.
Heiko Westermann und Boban Rajkovic lässt man jedoch ziehen. Ob auch hier Labbadias Wunsch ausschlaggebend war, oder man finanziell nicht zusammengekommen ist vermag ich nicht zu sagen.

Durch die Abgänge von Jansen, van der Vaart, Westermann, Rajkovic , Beister, Sobiech und Green,  sowie den Kürzungen bei Ilicevic und Kacar hätte man die Gehaltssummen um die angestrebten € 12 mio gekürzt und wohl etwas Spielraum für Neuzugänge geschaffen. Doch um die Ablösesummen zu stemmen müsste noch der eine oder andere gehen. Wäre man bei Behrami, Rudnevs und Zoua froh, wenn diese den Verein verließen, scheint Jonathan Tah wirklich halten zu wollen, denn nur so machen die Abgänge von gleich 3 Innenverteidigern Sinn.

Hat man in früheren Jahren erst Spieler verpflichtet, um dann meist vergeblich zu versuchen die Platzhalter abzugeben, macht man dies in diesem Jahr umgekehrt. Dieser Fakt sollte allen Kritikern der letzten Jahre gefallen. Ob man dabei immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat hängt mit der Personalie Bruno Labbadia zusammen.
Bleibt der Trainer tatsächlich für mindestens eine Saison, ist es auch richtig Entscheidungen in seinem Sinne zu fällen. Muss er hingegen früh gehen hätte man einmal mehr auf das falsche Pferd gesetzt.

Das Achten auf das Personalbudget mag ein Jahr zu spät kommen, ist aber nichts desto trotz unumgänglich. Mit Entscheidungen wie im Falle Beister macht man sich keine Freunde in der eigenen Anhängerschaft, doch war nicht ein Hauptkritikpunkt der letzten Jahre, dass man sich zu sehr von außen hat beeinflussen lassen? Ob die Abfindungszahlungen richtig, oder gar unumgänglich waren, wird man nie hundertprozentig beweisen können. Die vielzitierten Äußerungen von Christian Heidel sollte man allerdings auch nicht überbewerten, schließlich kann dieser auch schlecht sagen, dass Beister ne Graupe ist, die man nur verpflichtet hätte weil sie so günstig zu haben war.

Ja, der HSV macht es einem nicht leicht ihn zu mögen, doch sollte der eingeschlagene Kurs eine gewollte Abnabelung von Malle bedeuten und dieser gewollt, ist er mir lieber als eine erneute Transferoffenive die durch geborgtes Geld oder verkaufte Anteile ermöglicht wird. Ich bin dann auch bereit die Beister-Ilicevic-Kröte zu schlucken. Vor allem muss man der Transferperiode als Ganzes sehen und da heißt es mit der Bewertung noch zwei Monate zu warten, auch wenn es schwer fällt.
Hauptkritikpunkt ist, dass man sich die Personalpolitik wieder vom Trainer bestimmen lässt. Allerdings würde es auch wenig Sinn machen diesem Spieler aufzudrängen, die er gar nicht haben will.

Ich bin weit entfernt davon alles gut zu finden, was im Verein passiert doch nur draufhauen will ich auch nicht. Zumindest die Erwartungen im Umfeld des Vereins sollten geerdet sein, beim heutigen Trainingsauftakt werden sich wohl wenige trauen nach internationalem Fußball zu fragen.
Immerhin.

Donnerstag, 25. Juni 2015

Prost auf Malle

Ist die Kasse wieder alle
Fliegt uns Didi schnell nach Malle
Mit nem Rückrat wie ne Qualle
Ab nach Malle, ab nach Malle

Auch des Spielers neue Schnalle
Präsentiert man kurz auf Malle
Auf das Kühne sie Gefalle

Dem gefällts nun mal auf Malle

Grassiert Fußpilz in der Halle
Gibt`s die Lösung nur auf Malle
Kurz und kürzer Intervalle
Alle auf dem Weg nach Malle

Mir kommt langsam hoch die Galle
Lese täglich ich von Malle
Und drum sauf ich bis ich lalle
Prost auf Malle, Prost auf Malle

Mittwoch, 24. Juni 2015

Ab nach Malle

Der HSV will den Campusbau noch in diesem Jahr beginnen, um sein fußballerisches Herz endgültig in den Volkspark zu verlegen. Dort fernab jeglicher Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz wird dann eine Begegnungsstelle für Jugendliche entstehen. Allerdings steht hinter dieser Entscheidung weit mehr, als ein Jugendkonzept. Vielmehr ist darin die bauliche Ausgleichsmaßnahme zur Ausgliederung der Geschäftsstelle nach Mallorca zu sehen.

Wichtige, zukunftsprägende Entscheidungen werden seit geraumer Zeit nicht mehr im Volkspark, sondern auf der Baleareninsel getroffen und es werden weder Kosten noch Mühen gescheut dem vermeidlichen Geld hinterher zu reisen.
So hat sich jüngst auch der Trainer, natürlich in Begleitung des Vorstandsvorsitzenden, nicht etwa zu strategischen Gesprächen, sondern nur zu einem Antrittsbesuch beim Fan und Milliardär eingefunden.
Leider etwas spät. Schließlich ist Bruno schon seit dem 15. April im Amt und hat mit diesem Besuch aus fadenscheinigsten Gründen (Abstiegskampf) glatte zwei Monate gewartet. Kein Wunder also, dass die trottelige Delegation anstatt mit vollgestopften Taschen die Kaderplanung voran zu treiben jetzt lediglich in der Lage ist Abfindungen für Talente zu zahlen, die man nicht zu Bundesligaspielern weiterbilden konnte.

Ganz anders ging der Verein in der Personalie Tuchel vor. Diesen präsentierte man bereits weit vor Amtsantritt und so konnte man dem Vernehmen nach dem Wunschkandidaten ein Transferbudget in Höhe von 25.000.000,- € in Aussicht stellen.
Vor diese Aussicht stellte sich allerdings der Aufsichtsratsvorsitzende, der meinte Internas bekanntgeben zu müssen, die nicht spruchreif waren und somit vielleicht das Zünglein an der Waage spielte, welches zur Absage des Kandidaten führte.

Gerüchteweise war der Grund für das Fernbleiben Gernandts von der MV auch kein beruflicher Termin, sondern ein Protest gegen die Entscheidung des eV-Vorstands die Mitgliederversammlung nicht nach Mallorca zu verlegen, wie es von einem nicht gänzlich unbekannten Gönner angeregt worden sein soll.
Auch das Transferwirrwarr um Batuhan Altintas soll schlicht und einfach an einem Fehler bei der Einreise liegen. Der junge Türke hat nämlich einen Direktflug nach Hamburg gebucht, wo er doch eigentlich über Mallorca hätte anreisen sollen.

Sonst läuft es aber gut beim HSV, man hat viele Prozesse angestoßen und muss eigentlich nur noch auf die Ergebnisse warten, so diese nicht auf dem Weg von oder nach Mallorca verloren gehen.

Nur der HSV

Donnerstag, 18. Juni 2015

Erste Antworten



Am Versuch die Fragen von Dir und Marc im Kommentar unter Erste Bilanz zu antworten bin ich gescheitert, daher gibt es dafür einen eigenen Beitrag, der vielleicht auch andere ermutigt in die Diskussion einzusteigen.

Ich halte nach wie vor die Ausgliederung des letzten Jahres für Alternativlos.
Ein Redner auf der MV sagte ohne HSVPlus wäre der HSV abgestiegen. Das ist natürlich Schwachsinn, aber der HSV befand sich in den vergangenen Jahren in einem Selbstzerfleischungsprozess, der gestoppt werden musste.
Problematisch bei dem ganzen Prozess war zum Einen die 75 % Hürde, die den „Wenn nicht jetzt dann nie“ - Eindruck vermittelte und zum Anderen, dass sich die Plusopposition zu sehr auf das Neinsagen beschränkten, ohne wirkliche Alternativen zu entwickeln.
Nein, auch für mich musste es nicht unbedingt eine AG werden, aber ich habe für mich beschlossen diesen Weg zu gehen, da die Alternative ein „Weiter so“ bedeutet hätte.
Hätte es einen ernstzunehmenden Alternativvorschlag gegeben (zB das Gladbacher Modell) hätten sich die beiden Reformen auf Grund der 75% Hürde blockiert und es wäre alles beim Alten geblieben.

Der einzig gangbare Weg wäre gewesen einen Antrag zu stellen, der vorsieht mit 75% Mehrheit die Ausgliederung und gleichzeitig einen auf 1-2 Jahre  begrenzten Rechtsformfindungsprozess zu beschließen, an dessen Ende eine einfache Mehrheit genügt hätte.

Doch dazu war niemand bereit und dabei meine ich auch, vielleicht sogar vor allem die „Not for sale“ Bewegung, die der Meinung war mit der Geschlossenheit der Kurve den Prozess aufhalten zu können und deshalb nicht zum Gestalten der Ausgliederung bereit war. Es gab Anträge den gesamten Ausgliederungsprozess zurück zu stellen, doch wurden diese wie eine vorgetäuschte Verletzung in der Nachspielzeit vorgetragen.
Die HSV-Reform hatte ein paar brauchbare Ansätze, die im Endeffekt aber nicht weit genug gingen, das Rautenherz war so sehr von seiner Idee überzeugt, dass sie nicht einmal versucht haben diese zu präsentieren, sondern nur gegen Plus gewettert haben.
Erst als die Felle davon schwammen und klar war, dass eine Ausgliederung kommen würde, machten sich ein paar Leute überhaupt  Gedanken über den besten Weg. Doch und da gebe ich Dir recht, da war es zu spät.
Von der Bereitschaft wirklich etwas zu entwickeln war in der Öffentlichkeit weit und breit nichts zu hören!

Was EORs Rolle angeht, muss ich spekulieren.
Heute vermute ich, dass Kühne/Gernandt den guten Ernst Otto ausmanövriert haben.  
Das frühe Festlegen auf Beiersdorfer als Vorstandsvorsitzenden der AG und vor allem auch die Art wie Gernandt dieses kommuniziert hat legt nahe, dass dieser kurz vor der MV im letzten Mai das Heft des Handelns übernommen hat.
Allerdings schien die Beiersdorfer-Lösung zu diesem Zeitpunkt so logisch gewesen zu sein, dass dies außerhalb der Plusbewegung in der allgemeinen Aufbruchsstimmung der potentiellen Wähler (ich eingeschlossen) nicht so rübergekommen ist.
Vielleicht hätten die EOR, Rebbes, Hieronymus und Kleins zu diesem Zeitpunkt, da ihnen ihre Initiative entglitten ist die Courage haben müssen Stop zu sagen, doch um diese Prozesse bewerten zu können war ich einfach zu weit weg vom Geschehen, da ich nie Teil von HSVPlus war.

Ich bin ganz bei Marc, der in seinem Kommentar schreibt:

„Eine gute Struktur allein ist kein Garant für Erfolg. Es kommt immer auf die Personen an die diese Struktur ausfüllen.
Hat man richtig gute Leute an der Spitze dann ist die Struktur fast egal.“

Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass es richtig ist Anteile an strategische Partner zu veräußern, wenn die erzielten Einnahmen so wie einst von Plus angedacht zur Entschuldung und Gesundung des Vereins verwendet werden. Ich habe aber auch schon mehrfach betont, dass Kühne und auch Bohnhorst in meinen Augen keine strategischen Partner sind. Nein, auch Investoren sind sie nicht. Sie sind Gönner, Mäzene, die den Verein unterstützen und dafür, zumindest im Fall Kühne, hofiert werden und sogar Einfluss nehmen wollen.
Doch hätte man auch solche Leute einbinden können, wenn man denn wirkliche strategische Partner hätte. (Viel Konjunktiv).

Ist die Ausgliederung beim HSV ideal gelaufen?
Nein, das ist sie nicht. Und doch bereue ich nicht dafür gestimmt zu haben.
Der Antrag, zur Ausgliederung den ich oben beschrieben habe wäre das Ideal gewesen, doch diesen Weg wollte zu dem Zeitpunkt, als er hätte gestellt werden müssen niemand einschlagen.
Die Einen wollten JETZT etwas verändern und die Anderen wollten JETZT etwas verhindern.
Mehr stand nicht zur Wahl und da habe ich mich für die erste Möglichkeit entschieden.

Danke an Marc und Florian für Eure Kommentare und vor allem an Florian für die dabei benötigte Geduld.

Dienstag, 16. Juni 2015

Erste Bilanz

Nachdem auf der Mitgliederversammlung vom vergangenen Sonntag erste Bilanzen der Ausgliederung gezogen wurden und diese mehr oder weniger kontrovers diskutiert werden, möchte ich auch meinen Hut in den Ring werfen und meine Sicht der Dinge darlegen.
Ich werde mich dabei auf Aussagen von Dietmar Beiersdorfer und Ernst Otto Rieckhoff beziehen, die Euch auf Hamburg1.de zur Verfügung stehen.
Am Tag nach der Ausgliederung schrieb ich hier den Beitrag mit dem wenig originellen Titel:  „Nach der Wahl“. In diesem habe ich meine Hoffnungen an die neue Vereinsführung geäußert, die ich heute zur Grundlage meiner persönlichen Abrechnung machen möchte.

Ich zitiere:
„Zusammenhalt in den Gremien, Entwicklung und Umsetzung einer Vereinsphilosophie, Durchlässigkeit aus dem Nachwuchsbereich, Resistenz gegenüber der Verlockung an die Öffentlichkeit zu treten, Verschwiegenheit gegenüber der Presse.“
Der Zusammenhalt innerhalb der Gremien scheint, so werden es die Beteiligten nicht müde zu erklären, gewährleistet. Hingegen ist von der Entwicklung einer Vereinsphilosophie wenig und von deren Umsetzung nichts zu spüren. Dabei will ich gar nicht in Abrede stellen, dass man sich über diesen, für mich zentralen Punkt Gedanken macht, nach außen transportieren konnte man dies jedoch nicht. Ich habe nicht das Gefühl, dass ein Trainer danach ausgesucht wird, ob er zum Verein passt, sondern genommen wird was verfügbar ist. In wie weit diesen Trainern dann Vorgaben gemacht werden und wie diese im Bezug auf die Integration des Nachwuchses, auf Spielidee und Identifikation mit dem Verein umgesetzt werden vermag ich nicht zu sagen, nach außen hin zu spüren ist davon nichts.

Als mildernden Umstand kann man entgegensetzen, dass die Vereinsführung schon in ihrer Findungsphase diverse Krisen zu bewältigen hatte, die allerdings auch hausgemacht waren.
Beiersdorfer führte auf der MV das Beispiel an, wie entsetzt er (und auch Igli Tare und Miro Klose) über die Leblosigkeit der Mannschaft nach dem Rückstand im Testspiel gegen Lazio Rom gewesen ist. Scheinbar hat er auf der Lohmühle auch das restliche Vertrauen in Mirko Slomka verloren, allerdings ohne entsprechend zu handeln. Was im Laufe der Saison an Peinlichkeiten rund um den Trainerposten im Verein passiert ist sollte hinlänglich bekannt sein.
Mir ist nicht bekannt wie oft Beiersdorfer zur vermeidlichen Einflussnahme von Klaus Michael Kühne Stellung nehmen musste, allerdings weiß ich, dass er dies nach der Entlassung Slomkas die in den Kühne&Nagel Geschäftsräumen beschlossen wurde und auch auf der MV am Sonntag machen musste, nachdem Ernst Otto Rieckhoff vom Flug Tuchels nach Mallorca berichtete.
Mir ist bis heute nicht klar, wie man mit dem ebenso empfindlichen, wie kostbaren Gut der Glaubwürdigkeit so fahrlässig umgehen kann.
Von dem Vertrauensvorschuss, den ich Beiersdorfer mit auf dem Weg gegeben habe (siehe Der neue HSV) ist nicht mehr viel übrig und das obwohl ich ihn nach wie vor für integer halte. Mir ist nur leider nicht klar, wie sehr er manchmal auf die falschen Leute hört.

Apropos. Die Dampfplauderei von Karl Gernandt zu Beginn seiner Amtszeit habe ich bemängelt und dann aber ob der eintretenden Ruhe vergeben, bei dem an Diletantismus grenzenden Interview in Sachen Tuchel vermag ich das nicht zu tun und mit seinem Fernbleiben von der MV am letzten Sonntag hat er sich die Restsympathien (so noch vorhanden) endgültig verspielt.
Dabei dachte ich den HSV in Sachen Öffentlichkeitsarbeit nach der gelungenen Präsentation des neuen/alten Stadionnamens auf einem guten Weg, allerdings war dies wohl leider nur ein Intermezzo, wie nicht nur zuletzt die Kommunikation in Sachen Dauerkartenpreise gezeigt hat.

In „Nach der Wahl schloss ich mit folgender Erwartung:
„Eine Entwicklung hin zu einem solide geführten Verein, mit nachvollziehbarer Politik, sowohl in sportlicher, als auch wirtschaftlicher Hinsicht, ist meine kurz- oder mittelfristige Erwartung an die neue Vereinsführung und dafür habe ich sie gewählt.“

Dass in sportlicher Hinsicht die Vereinspolitik nicht allzu solide war wissen wir jetzt und doch ist das der Punkt den ich am ehesten verzeihen kann. Schon bei der ersten Vorstellung von HSVPlus habe ich den Beisatz „Aufstellen für Europa“ als das Wecken falscher Hoffnungen kritisiert und doch scheint sich die Vereinsspitze genau dies zu Herzen genommen zu haben.
Mit einem Kraftakt auf dem Transfermarkt, der den Großteil des Erlöses aus den veräußerten Anteilen verschlang, versuchte man der Mannschaft neues Leben einzuhauchen und so einen Entwicklungsschritt zu erzwingen und auch wenn ich die Entscheidungen zum Großteil nachvollziehen konnte verließ man doch zu schnell den Kurs der wirtschaftlichen Konsolidierung.
Jonathan Tah wurde ausgeliehen und dafür Cleber teuer verpflichtet. So setzt man nicht auf die eigene Jugend und schafft erst recht keine Identifikation (siehe Cleber statt smart).
Mit einer wie von den Initiatoren von HSVPlus angedachten zurückhaltenden Transferpolitik im vergangenen Sommer ohne auf die Hilfe von Kühne zurückzugreifen hätte man wesentlich mehr für die Einheit der Mitglieder und Fans und auch für das Ansehen des Vereins und die Anerkennung des gegangenen Weges tun können, als mit allen gesteuerten Aktionen.
Diese Chance hat man vertan. Und selbst wenn man jetzt den Resetknopf drückt, wie EOR es nannte wird es so aussehen, als wäre die neue Bescheidenheit der finanziellen Situation geschuldet, eine Einschätzung, die wahrscheinlich nicht einmal falsch wäre.
Der Schuldenabbau, den Beiersdorfer auf der MV verkündete traf mich vollkommen aus heiterem Himmel, schließlich wurde zeitgleich ein 10 Millionen Minus aus dem operativen Geschäft vermeldet, sollte die Verschuldung trotzdem auf 63 mio € gesunken sein, würde das für mich an Zauberei grenzen.



Natürlich lieber Marc stand die Philosophie hinter HSVPlus nie zur Abstimmung und doch war, oder besser ist sie für mich der wesentlich Bestandteil der Ausgliederung. Das mag man blauäugig oder naiv nennen, ist aber so.
Bislang und das ist zu einem wesentlichen Teil der bescheidenen Außendarstellung des Vereins geschuldet können sich die Anhänger von „Not for sale“ bestätigt fühlen, wenngleich der eV meiner Meinung nach schon jetzt besser aufgestellt ist, als er das noch vor einem Jahr war und nach Fertigstellung des Campus noch einen Schub erhalten wird.



Beiersdorfer hat auf der Veranstaltung „Der neue HSV“ gesagt sein Ziel sei, dass alle HSVer wieder stolz auf ihren Verein sein könnten. Davon abgesehen, dass der HSV immer mein Verein sein wird ist Didi diesem Vorhaben noch kein Stück näher gekommen. Im Gegenteil ich habe noch nie so viel Shitstorm über mich ergehen lassen müssen, nur weil ich HSVer bin und ich hatte noch nie so wenig Argumente gegen diese Pöbeleien.
Auch daran gilt es zu arbeiten.



NUR DER HSV!


Montag, 15. Juni 2015

Dilemma

Dünn besetzt war die Mitgliederversammlung des HSV, aber das war auch nicht anders zu erwarten, schließlich standen keine Wahlen an und so konnte man sich „nur“ über den Entwicklungsstand des e.V. und die Selbsteinschätzung des Vorstandes der AG informieren, die Tätigkeiten des Aufsichtsrats blieben mangels Anwesenheit der Räte im Unklaren.

Man kann über die Ausgliederung denken was man will, doch scheint sie dem e.V. nicht geschadet zu haben. Im Gegenteil, was gesagt, geplant und auch schon getan wird macht einen sehr vernünftigen und seriösen Eindruck. Auch die Präsentation von Jens Meier und Henning Kinkhorst konnte sich sehen lassen. Entsprechend kurz waren auch die Nachfragen bzw. Anregungen.

Auch der Bericht von Beiersdorfer konnte nicht überraschen. Das Festhalten an der Idee Tuchel und die mangelhafte Kommunikation in Sachen Preiserhöhung der Dauerkarten waren die Fehler, die er eingestanden hat, seine Transferpolitik bezeichnete er als im Ergebnis nicht glücklich, aber im Prinzip nicht falsch. Weiterhin sieht er den HSV auf einem Konsolidierungskurs, der sich auch schon im aktuellen Schuldenstand von 63 Millionen Euro inkl. Arenafinanzierung wiederspiegeln würde und er verwies auf die in Bälde erscheinende Bilanz des Geschäftsjahres 2014/15.
Er rechtfertigte den Anteilsverkauf sowohl vom Zeitpunkt als auch von der Höhe des Ertrages her, ohne auf die Verwendung des Geldes einzugehen.
Er verwies auf die Vorgänge und Maßnahmen, die angestoßen seien und hob dabei die Jugendförderung hervor.

Ich habe in seiner Rede wenig Greifbares gehört. Didi malt Bilder wenn er redet und man weiß nicht, wie sehr dabei die Realität als Vorlage dient. Natürlich stellt er die Arbeit des AG Vorstandes positiv dar, doch bezieht er sich dabei oft auf interne Vorgänge, die ich aus meiner entfernten Sicht nicht beurteilen kann. Den Verlust des Geschäftsjahres aber auf die Abschreibungen von Spielerwerten zu schieben ist mir zu billig und kommt mir auch seltsam bekannt vor. Scheinbar hat Beiersdorfer vergessen, dass er dem Fußballbetrieb vorsteht und es daher auch seine Aufgabe ist Spielerwerte zu entwickeln bzw. ein Umfeld zu schaffen in dem sich diese entwickeln können.

Otto Rieckhoff hatte die Ehre als erster auf den Bericht Beiersdorfers antworten zu können. Dabei hob er die erfreulichen Mitgliederzahlen und die Einheit des Vereins hervor, um dann ein vernichtendes Bild des ersten Jahres der AG zu zeichnen.
Kurz gesagt findet er die Ideen von HSVPlus in der Umsetzung der Ausgliederung nicht mehr wieder. Teure Transfers, Anteilsverkäufe zur Unzeit und zu einem schlechten Kurs, kein Ansatz in Sachen Vereinsphilosophie sind nur ein paar Stichworte seiner Rede.
Letztlich, meinte er, würde so rumgewurschtelt wie früher.

Ich kann seine Kritikpunkte, die ich auch hier im Blog schon angemerkt habe nachvollziehen und unterstreichen. Rieckhoff schloss seine Rede einigermaßen versöhnlich, in dem er auch Beiersdorfers Bericht einging, der die Zukunft sehr positiv malte und forderte, wie auch die gesamten Redner keine personellen Konsequenzen und auch ich tue mich damit, wie sehr ich auch enttäuscht,  schwer den Kopf von Beiersdorfer, Knäbel, oder wem auch immer zu fordern.
Erstens fehlt jegliche Alternative zur bestehenden Führungsriege und zweitens würde ein erneuter Wechsel in der Führung dem Verein wahrscheinlich mindestens so sehr schaden, wie er eventuell nutzen könnte.

In diesem Dilemma befindet sich, so mein Eindruck, die gesamte Mitgliedschaft und so wird das zweite Jahr Beiersdorfers mit einem Zähneknirschen und nicht mit Euphorie wie vor 12 Monaten begleitet. Man wird diese Transferphase mit Argusaugen beobachten und das verantwortliche Duo wird es schwer haben die Mitglieder zufrieden zu stellen. Fragte die eine Hälfte z.B. was man denn mit Süleyman Koc wolle, echauffiert sich die andere Hälfte, dass man nicht einmal diesen Transfer finalisieren konnte. Ähnlich sieht es bei Labbadia aus, der im Fanansehen zwischen Heldenstatus und Trainer auf Bewährung rangiert und auch bei den vertragsfreien Spielern wird man es nicht allen recht machen können.

Die weiteren Wortbeiträge waren nicht übermäßig erwähnenswert, allein Tim-Oliver Horn sorgte mit seiner launig vorgetragenen Kritik gerade an den angehobenen Dauerkartenpreisen noch einmal  für Stimmung.
Gewundert hat mich, dass niemand nach dem Sinn und Zweck einer zweiten Mitgliederversammlung, auf der es weder Anträge noch Abstimmungen gab fragte. Ich denke mir, dass der dafür aufgewendete Betrag auch sinnvoller hätte verwendet werden können. (Ich verkneife mir hier den Bezug zu den Eintrittspreisen für Behinderte und Jugendliche.)

Sicher ist nur, dass uns auch weiterhin unruhige Zeiten ins Haus stehen werden, es sei denn der Saisonstart sollte wesentlich besser als erwartet gelingen, aber für diese Hoffnung sehe ich  momentan keinen Anlass.

Freitag, 12. Juni 2015

Gastbeitrag: Wie ich dem HSV half, die Klasse zu halten

Wieder einmal erreichte mich die Bitte hier einen Gastbeitrag veröffentlichen zu dürfen und auch diesmal ist es mir eine Ehre der Bitte von Andreas und Nils nachzukommen.
Selbstverständlich habe ich an ihrem Text nichts verändert.


Napoleon hat mal gesagt: „Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“. Mit Krieg habe ich nichts am Hut, deswegen modifiziere ich den Spruch für die Erzählung meiner Erlebnisse mal auf „Im Abstiegskampf und in der Liebe ist alles erlaubt“.
 

Ich bin nicht religiös. Ich bin getauft, bin auch konfirmiert worden, aber als ich im Berufsleben stand, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Natürlich auch, um Kirchensteuer einzusparen, aber ich sah auch nicht den Sinn darin, eine passive Mitgliedschaft bei einem Verein zu führen, deren Selbstzweck ich nicht unterstütze und dessen Leistungen ich auch nicht in Anspruch nehme. Klingt alles sehr materialistisch, aber deswegen bin ich ja auch kein CDU-Parteimitglied. Ich glaube einfach nicht an das, was die hohen Herren (und Damen) von ihrer Kanzel herunterpredigen, sowohl bei der einen als auch bei der anderen Institution. Und trotzdem habe ich die Kirche für meine niederen Zwecke missbraucht. Ich bitte vorab schon mal um Entschuldigung. Aber wie Napoleon schon mal sagte: Im Abstiegskampf ist alles erlaubt! Und außerdem habe ich die Kirche nicht geschändet oder den Namen der Kirche beschmutzt, ich habe nur um etwas Hilfe gebeten, und weiß, wie opportunistisch das Ganze rüberkommt. Aber von Anfang an:

Die Saison 2014/2015 des HSV ist mit dem Wort „Katastrophe“ nur unzureichend eingeordnet. Als man nach der Ausgliederung noch frohen Mutes war, dass jetzt alles besser wird, musste man im Laufe der Saison feststellen, dass sowohl die Lern- als auch die Erfolgskurve noch einen sehr  parallelen Lauf zur Null-Linie beibehielt. Joe Zinnbauer war Mirko Slomka nachgefolgt und hatte am Anfang auch defensive Stabilität etc. gebracht. Könnt Ihr alles in diesem Blog zur Genüge nachlesen und ganz ehrlich: Ich habe keine Lust mehr, die vergangene Saison wiederzukäuen.

Nach dem 19. Spieltag lag der HSV auf dem 13. Platz. Für HSVer eine geradezu großartige Platzierung, aber sie verwässerte ein wenig den Blick auf die Realität. Zwei Punkte vor dem 17. Platz versprachen kaum Sicherheit. Siege mussten her. Und Olic – wieder so eine Erlöserfigur –kam zurück. Aber was geschah? Köln tat in Hamburg zum Rückrundenauftakt taktisch das Nötigste – und siegte mühelos mit 0:2. Am nächsten Spieltag ging es gegen Hannover, die ihrerseits noch von weit oben grüßen durften, deren Absturz also gerade erst angefangen hatte.

Ich habe diese Saison wenig Spiele des HSV gesehen. Ich war häufig unterwegs, aber habe oftmals einfach auch körperliche Schmerzen dabei gehabt, meinem HSV bei der körperlichen Ertüchtigung zuzusehen. Das war einfach viel zu häufig viel zu wenig. Ich hänge sehr an dem Club, auch wenn jetzt von der HSV Fußball AG die Rede ist. Kritiker werfen den Mitgliedern vor: „Was man liebt, verkauft man nicht!“. Ich sage: „Liebe kennt keine Rechtsform.“ Bin mir aber auch dessen bewusst, dass ich unter den „wahren“ Fußball-Fans auf wenig Gegenliebe mit meiner Einstellung stoße.

Am Wochenende des 6.-8.Februar bin ich mit Frau, Nachbarin und Schwager nach Manchester geflogen. Manchester ist unsere Lieblingsstadt in England, wir sind jedes Jahr bei der Snooker-WM in Sheffield und statten vor- und hinterher Manchester noch einen Besuch ab. Im Februar waren wir aber vor Ort, weil wir zum Konzert der so famosen Band „Elbow“ wollten. Mancunians, die drei Konzerte im Apollo gaben, einer etwas kleineren Konzertlocation vor Ort, und deswegen besonders interessant, weil man seinen Musik-Helden ja durchaus etwas näher ist. (Konzert war super, aber wir sind hier in einem vorwiegend fußballaffinen Blog, deswegen keine weitere Beschreibung).

Am Tag vor dem Spiel gegen Hannover unternahmen wir in Manchester einen Stadtbummel zum Shoppen, Leute gucken (das Northern Quarter ist toll!) und Land und Leute genießen. In der Mitte der Stadt gibt es ein kleines pittoreskes Viertel rund um die Manchester Cathedral. Ringsum wirklich mit Neubauten zugeballert steht die Cathedral wie eine kleine Trutzburg inmitten des ganzen Shoppingwahns. Da wir zwar schon dutzende Male in Manchester, aber noch nie in der Kirche waren, entschloss ich mich, hineinzugehen. Und ja, ich bin ein Banause, aber für mich sieht die Manchester Cathedral aus wie eine ganz normale Kirche. Da ich aber nicht wieder gehen wollte, ohne irgendetwas Typisches getan zu haben, nahm ich mir ein Teelicht, spendete 50 Pence für die Erhaltung der Kirche und zündete die Kerze an. Als ich nun vorm Kerzen“meer“ stand, dachte ich so bei mir „Nur der HSV!“. Und ging dann aber wieder hinaus. Draußen angekommen erzählte ich meiner Frau, dass ich eine Kerze für den HSV angezündet habe. Sie nahm mich augenscheinlich nicht ganz so ernst und meinte irgendwas mit „Das hilft ganz sicher!“ und dachte sich wahrscheinlich: „So ein armer Spinner. Diesen HSV rettet doch eh niemand mehr!“ Sie ist Werder-Fan. Case closed…

Ich verlinke hier mal einfach den Bericht aus dem Kicker. Das Spiel gewann der HSV (wir!) mit 2-1, u.a. durch ein Eigentor des Hannoveraners Marcelo:
http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/spieltag/1-bundesliga/2014-15/20/2407405/spielanalyse_hamburger-sv-12_hannover-96-58.html

HA! Kerze anzünden hat gewirkt! Ich war zufrieden ob meines kleinen Voodoo-Zaubers. Ich berichtete davon meinem Kumpel Nils, der einem gesunden Maß an Aberglauben durchaus positiv gegenübersteht. Nils seinerseits hatte in der folgenden Woche beruflich in Manchester zu tun. Ich gab ihm den Auftrag, auch eine Kerze anzuzünden, um den Aberglauben am Leben zu erhalten. Nils erzählt lieber selbst davon, wie er das Auswärtsspiel in München verbockt hat…

…Ja, ich habe es verbockt. Vorab: Ich zahle Steuern für den lieben Gott. Ich arbeite sogar für die Kirche. Ich akzeptiere aber Menschen wie Andreas, die das alles anders sehen. Wir sind ja freie Menschen. Und vor allem glaube ich: Wenn es ihn oder es oder was auch immer dort oben gibt – naja, also dann kümmert dieses Wesen sich sicher um andere Dinge als den Fußball im Allgemeinen und dem HSV im Speziellen. Besser: Ich glaubte es. Bis zum 7. Februar. Die Partie war das Samstagabendspiel. Anfang Februar werden die Tage zaghaft heller, ich fuhr auf dem Rad zu „Heinzzi“, der Stammkneipe der „HanseHessen Hochtaunus“, und der Himmel über dem Taunus glühte rot. Wie Andreas richtig sagt: Im Fußball bin ich abergläubisch. Also dachte ich: „Rot? Scheiße. Das deutet auf einen Sieg der ‚Roten‘ aus Hannover hin.“ Kurz versuchte ich mich mit dem Wort „Rothosen“ zu widerlegen – das sind ja wir, auch wenn ich den Begriff nicht mag -, aber dann fiel mir der Thies ein, der mir schon am Vortag eine SMS aus Manchester geschickt hatte. „Ich habe für den HSV eine Kerze in der Manchester Cathedral angezündet.“ Gut, Ihr wisst schon, wie der HSV dieses Spiel gewonnen hat, mit dem man Hannover in die Abwärtsspirale reißen sollte: mit Glück. Ich schrieb Andreas  zurück: „Da das ja nun derart reingehauen hat, solltest du erwägen, die Kathedrale gleich ganz anzuzünden.“ (Ich bin noch heute sicher, dass uns das in die Champions League und Zinnbauer zu – mmmh: wenigstens Liverpool – befördert hätte.) Aber da Andreas friedliebend ist, setzte ich hinterher: „Gut, ich zünde auch eine Kerze an.“

Denn mein Beruf brachte es mit sich, dass ich eine Woche später selbst nach Manchester reisen durfte, um eine Reportage über den FC United of Manchester zu schreiben. Das sind die, die sich die Ausgliederungsgegner vom HFC Falke zum Vorbild genommen haben, weil sie die HSV Fußball AG nicht mehr unterstützen mögen. Ich sage: Das ist konsequent, aber da habt Ihr Euch aber ganz schön was vorgenommen. Aber ich schweife ab.

Jedenfalls kam ich  sehr müde in Manchester an. Ich musste mein Hotel suchen. Ich musste den Vorort finden, in dem der FC United damals noch spielte (mittlerweile haben sie ein eigenes Schmuckstück). Ich musste mich vorstellen – und ich vergaß die Kathedrale. Ich vergaß unseren Schwur. Und mein Handy vibrierte acht Mal, weil mir mein Freund Locki – der größte Bayernfan unter dem Himmel – die Zwischenstände schickte. Ohne Häme, mit wachsendem Mitleid: 8:0. Als gläubiger Mensch darf ich sagen: Ich fühlte – Schuld.

Ich blieb vier Tage in Manchester.  Ja, ich hätte an jedem der vier Tage schon irgendwie Zeit und Gelegenheit gefunden, eine Kerze anzuzünden. Ich tat es nicht. Als ich am Mittwoch zum Flughafen fuhr, kam ich mit der Tram-Bahn an der Kathedrale vorbei. Mir war, als riefe sie mir höhnisch hinterher: „Du wirst sehen, was du davon hast.“

Am Sonntag nach meiner Rückkehr kämpfte der HSV, führte bis fast zur 90. Minute verdient mit 1:0 und musste dann – nach einem unberechtigten Eckball (Ja, liebe Hater, ohne den hättet Ihr uns gar nicht in der Relegation verteufeln dürfen) – noch den Ausgleich hinnehmen. Meine Schuld wuchs ins Unermessliche. Andreas weiß das. Ich schrieb ihm oft davon. Er erzählt diese Geschichte nun weiter.

Die Saison ging erst mal kerzenlos weiter. Zinnbauer wurde irgendwann von seinem HSV-Leiden erlöst, Knäbel übernahm und drückte den HSV nur weiter in den Mist. Dann kam Labbadia. Fußball-Deutschland und auch die HSV-Fans glaubten nicht mehr so recht an ein Happy End, gerade auch deswegen, weil sich irgendwie alle am Strohhalm Tuchel festgehalten hatten und dann derbe enttäuscht wurden, als es „nur“ Labbadia wurde, der hier ja schon mal grandios gescheitert war. Mit Labbadia verknüpfte ich persönlich wieder ein bisschen Hoffnung. Nach zwei Wochen Knäbel war die Nulllinie aber schon sowas von unterschritten, dass es ja nur aufwärts gehen konnte.

Zur Snooker-WM flog ich am 24. April. Wir legen vor der Fahrt nach Sheffield immer noch erst ein Wochenende Manchester ein. Ist halt auch toll da. Ich sagte zu meiner Frau, dass ich unbedingt noch mal in der Manchester Cathedral vorbeischauen müsste. Es hatte ein Mal geklappt, vielleicht wirkte der Zauber ja noch einmal? Also ging ich wieder hin, spendete wieder 50p, zündete die Kerze wieder an, stellte sie ungefähr am gleichen Ort wie zwei Monate vorher auf, stellte mich davor und dachte: „Nur der HSV!“ Während des Spiels waren wir wieder unterwegs in Manchester(s) City (höhö) und ich erlaubte mir nur einen kurzen Blick aufs Handy. Es stand 2-0. Ich war sofort nervös, traute mich danach aber nicht mehr, einen weiteren Blick zu riskieren. Es muss bei „Fatface“ gewesen sein, als ich wieder drauf schaute. Der HSV hatte 3-2 gegen Augsburg gewonnen. Der Zauber funktionierte!!

Die Woche danach verbrachten wir in Sheffield bei der Snooker-WM. Wir hatten aber vor dem Rückflug noch einen Tag Aufenthalt in Manchester, den ich zu nutzen gedachte. Ich war mir nur unsicher: Bislang hatte ich die Kerzen immer am Tag vor dem Spiel angezündet. Dieses Mal würden zwischen Kerze anzünden und Anpfiff zwei Tage liegen? Ob sich der Zauber so lange hält? Ich musste es probieren, es blieb überhaupt keine andere Wahl. ? Also ging ich wieder hin, spendete wieder 50p, zündete die Kerze wieder an, stellte sie ungefähr am gleichen Ort wie sechs Tage vorher auf, stellte mich davor und dachte: „Nur der HSV!“ Ergebnis gegen Mainz 05: 2-1. SPOOKY!!

Selbst meinem Kumpel Nils war schon ein Licht aufgegangen: „Liegt es echt nur an der Kerze?“ fragte er recht ungläubig. Es gab überhaupt keine andere Erklärung! Ich hatte aber entschieden, dass es der HSV selbst schaffen müsste und ohne meine Hilfe auch den Klassenerhalt schaffen würde. Bruno war ja da.
Denkste.

Gegen Freiburg ein mageres Unentschieden und dann die Niederlage in Stuttgart mit den Ergebnissen von den anderen Plätzen, der jedem zünftigen Arschtritt zur Ehre gereicht hätte. (Zwischenruf von Nils: Wir waren beide in Stuttgart. Wir haben nicht über den Zauber von Manchester gesprochen. Mussten wir auch nicht – weil Blicke reichten!) Fußballfans in ganz Deutschland (hier taten sich vor anderem die St.Pauli-Fans und ein Schalke-Fan aus Berlin hervor) googelten Anleitungen, wie man fest montierte Uhren abschraubt.  Auch ich hatte so ziemlich alle Hoffnung verloren. Ich suchte allen Ernstes nach bezahlbaren Tagesflügen nach Manchester. Um mein seelisches Heil besorgt verzichtete ich aber auf diese Ausgabe.

Jetzt kommt Matt ins Spiel. Matt und ich folgen uns gegenseitig seit knapp zwei Jahren auf Twitter. Was ich erstaunlich finde, da er Engländer ist und ich höchst selten in einer anderen als meiner Muttersprache twittere. Matt ist Burnley FC Fan und irgendwann habe ich ihm versprochen, ab sofort auch Burnley-Supporter zu sein, weil mir bis dahin kein Club in der Premier League zusagte (Liverpool-Fan zu sein ist so unfassbar Mainstream…).
In mir reifte eine Idee. Vielleicht kannte Matt ja jemanden in Manchester, der vielleicht an der Manchester Cathedral vorbeikam und vielleicht ganz zufällig eine Kerze anzünden könnte?
So ging es los:














Ich gebe zu, ich habe ein schlechtes Gewissen. Insgeheim hatte ich darauf gehofft, dass Matt vielleicht in Manchester arbeitet und an der Cathedral vorbeigehen könnte. Matt erklärte sich bereit, selbst in Manchester vorbeizufahren und die Kerze anzuzünden. Er teilte mir in diversen DM auf Twitter mit, dass er eh in der Stadt sei. Als Gegenleistung wollte er dafür einen HSV-Schal haben. Nichts leichter als das, der Schal wurde sofort bestellt. Am Abend vor dem Spiel gegen Schalke schickte er mir per DM zwei Fotos, die den Beweis antraten: Er war wirklich dort gewesen und hatte eine Kerze angezündet:




An diesem Punkt muss ich mal eins loswerden: Social Media kann echt ein Fluch sein. Man kann die falschen Leute kennenlernen, es ist ein Ort voller Maulhelden und Möchtegernegroßen, manchmal bringt es aber auch die wunderbarsten Geschichten. Diese ist so eine. Matt und ich kennen uns nicht, sind uns nie begegnet. Wir haben nur an NFL-Spieltagen Kontakt, da er für ein NFL-Blog in Großbritannien schreibt, ansonsten nimmt man halt die Tweets des anderen wahr. Der Junge nimmt den Weg auf sich, für einen ihm völlig unbekannten Spinner, in Manchester eine Kerze anzuzünden, damit dieser Spinner in Germany seinen Aberglauben befriedigt sieht. Irre.
Ergebnis? HSV-Schalke 2-0. Wir hatten uns in die Relegation gerettet. Vom Spiel habe ich gar nichts mitbekommen. Ich saß im Auto von Bremen nach Bad Oeynhausen und hatte das Handy im Flugmodus. In Bad Oeynhausen erlaubte ich mir nach Schlusspfiff den ersten Blick aufs Handy. Der erste Schritt war gemacht, oder wie ich es auf Twitter gelesen haben: „Ab jetzt greift die Relegationsroutine.“ Inzwischen war der Schal in der Nähe von Burnley eingetroffen:
Großartig.


Das Hinspiel gegen den KSC ging 1-1 aus. Ich hatte keine Kerze in der Manchester Cathedral angezündet oder anzünden lassen.  Ein Spiel noch. Ein Spiel, um die Saison des HSV irgendwie zu retten. Könnte ich noch mal fragen? Herrje, langsam wird’s peinlich…


Matts Antwort nach Regelerklärung:



Ab jetzt kommt Matts Cousine Lauren ins Spiel…Ich weiß, das ist inzwischen eine wirklich zu abstruse Geschichte. Matt fragte sie, ob sie in der Manchester Cathedral eine Kerze anzünden könne. Sie konnte.





Nils und ich waren beruhigt. Wir hatten alles getan, was in unserer Macht stand.  Dass wir im Rückspiel sehr lange auf Ausgleich und Siegtreffer warten mussten, ist meiner Meinung nach dem Umstand geschuldet, dass das Kerzenanzündritual jetzt schon in der dritten Hand war. Egal wie, es hat auf jeden Fall geholfen.
Fünf Kerzen in der Manchester Cathedral – fünf Siege. Ich verspreche hoch und heilig, dass ich niemals wieder Hilfe von oben anfordere. Dieses Mal heiligte der Zweck die Mittel. Und Nils? Der sieht das ganz genauso. Den Rest des Weges muss der HSV nun auch mal so schaffen. Der da oben hat ja echt andere Sachen zu tun…
Ich werde auf ewig Matt und Lauren dankbar sein (ich auch). Wir sind im September zur Rugby-WM in Leeds und in der Umgebung von Manchester (ich würde gern mal mit dem Thies nach Manchester, aber nicht gerade zur Rugby-WM). Wir werden Matt treffen und er wird an dem Abend keins seiner Getränke zahlen müssen.
Nur der HSV.