Montag, 15. Juni 2015

Dilemma

Dünn besetzt war die Mitgliederversammlung des HSV, aber das war auch nicht anders zu erwarten, schließlich standen keine Wahlen an und so konnte man sich „nur“ über den Entwicklungsstand des e.V. und die Selbsteinschätzung des Vorstandes der AG informieren, die Tätigkeiten des Aufsichtsrats blieben mangels Anwesenheit der Räte im Unklaren.

Man kann über die Ausgliederung denken was man will, doch scheint sie dem e.V. nicht geschadet zu haben. Im Gegenteil, was gesagt, geplant und auch schon getan wird macht einen sehr vernünftigen und seriösen Eindruck. Auch die Präsentation von Jens Meier und Henning Kinkhorst konnte sich sehen lassen. Entsprechend kurz waren auch die Nachfragen bzw. Anregungen.

Auch der Bericht von Beiersdorfer konnte nicht überraschen. Das Festhalten an der Idee Tuchel und die mangelhafte Kommunikation in Sachen Preiserhöhung der Dauerkarten waren die Fehler, die er eingestanden hat, seine Transferpolitik bezeichnete er als im Ergebnis nicht glücklich, aber im Prinzip nicht falsch. Weiterhin sieht er den HSV auf einem Konsolidierungskurs, der sich auch schon im aktuellen Schuldenstand von 63 Millionen Euro inkl. Arenafinanzierung wiederspiegeln würde und er verwies auf die in Bälde erscheinende Bilanz des Geschäftsjahres 2014/15.
Er rechtfertigte den Anteilsverkauf sowohl vom Zeitpunkt als auch von der Höhe des Ertrages her, ohne auf die Verwendung des Geldes einzugehen.
Er verwies auf die Vorgänge und Maßnahmen, die angestoßen seien und hob dabei die Jugendförderung hervor.

Ich habe in seiner Rede wenig Greifbares gehört. Didi malt Bilder wenn er redet und man weiß nicht, wie sehr dabei die Realität als Vorlage dient. Natürlich stellt er die Arbeit des AG Vorstandes positiv dar, doch bezieht er sich dabei oft auf interne Vorgänge, die ich aus meiner entfernten Sicht nicht beurteilen kann. Den Verlust des Geschäftsjahres aber auf die Abschreibungen von Spielerwerten zu schieben ist mir zu billig und kommt mir auch seltsam bekannt vor. Scheinbar hat Beiersdorfer vergessen, dass er dem Fußballbetrieb vorsteht und es daher auch seine Aufgabe ist Spielerwerte zu entwickeln bzw. ein Umfeld zu schaffen in dem sich diese entwickeln können.

Otto Rieckhoff hatte die Ehre als erster auf den Bericht Beiersdorfers antworten zu können. Dabei hob er die erfreulichen Mitgliederzahlen und die Einheit des Vereins hervor, um dann ein vernichtendes Bild des ersten Jahres der AG zu zeichnen.
Kurz gesagt findet er die Ideen von HSVPlus in der Umsetzung der Ausgliederung nicht mehr wieder. Teure Transfers, Anteilsverkäufe zur Unzeit und zu einem schlechten Kurs, kein Ansatz in Sachen Vereinsphilosophie sind nur ein paar Stichworte seiner Rede.
Letztlich, meinte er, würde so rumgewurschtelt wie früher.

Ich kann seine Kritikpunkte, die ich auch hier im Blog schon angemerkt habe nachvollziehen und unterstreichen. Rieckhoff schloss seine Rede einigermaßen versöhnlich, in dem er auch Beiersdorfers Bericht einging, der die Zukunft sehr positiv malte und forderte, wie auch die gesamten Redner keine personellen Konsequenzen und auch ich tue mich damit, wie sehr ich auch enttäuscht,  schwer den Kopf von Beiersdorfer, Knäbel, oder wem auch immer zu fordern.
Erstens fehlt jegliche Alternative zur bestehenden Führungsriege und zweitens würde ein erneuter Wechsel in der Führung dem Verein wahrscheinlich mindestens so sehr schaden, wie er eventuell nutzen könnte.

In diesem Dilemma befindet sich, so mein Eindruck, die gesamte Mitgliedschaft und so wird das zweite Jahr Beiersdorfers mit einem Zähneknirschen und nicht mit Euphorie wie vor 12 Monaten begleitet. Man wird diese Transferphase mit Argusaugen beobachten und das verantwortliche Duo wird es schwer haben die Mitglieder zufrieden zu stellen. Fragte die eine Hälfte z.B. was man denn mit Süleyman Koc wolle, echauffiert sich die andere Hälfte, dass man nicht einmal diesen Transfer finalisieren konnte. Ähnlich sieht es bei Labbadia aus, der im Fanansehen zwischen Heldenstatus und Trainer auf Bewährung rangiert und auch bei den vertragsfreien Spielern wird man es nicht allen recht machen können.

Die weiteren Wortbeiträge waren nicht übermäßig erwähnenswert, allein Tim-Oliver Horn sorgte mit seiner launig vorgetragenen Kritik gerade an den angehobenen Dauerkartenpreisen noch einmal  für Stimmung.
Gewundert hat mich, dass niemand nach dem Sinn und Zweck einer zweiten Mitgliederversammlung, auf der es weder Anträge noch Abstimmungen gab fragte. Ich denke mir, dass der dafür aufgewendete Betrag auch sinnvoller hätte verwendet werden können. (Ich verkneife mir hier den Bezug zu den Eintrittspreisen für Behinderte und Jugendliche.)

Sicher ist nur, dass uns auch weiterhin unruhige Zeiten ins Haus stehen werden, es sei denn der Saisonstart sollte wesentlich besser als erwartet gelingen, aber für diese Hoffnung sehe ich  momentan keinen Anlass.