Dienstag, 30. September 2014

Dünnhäutig

„Mensch, was bist Du dünnhäutig“ musste ich mir jüngst anhören, als ich mich via Twitter über Polemik in einem von mir eigentlich geschätzten Podcast beschwerte. Der werte Herr Rebiger kündigte in seinem Blog sogar ein Aufräumen seiner Timeline an.
„Ich habe mich auf Twitter zuletzt oft geärgert und unglücklicherweise fast genauso oft aus der Reserve locken lassen.“
Dieses Zitat aus dem oben erwähnten Blogbeitrag trifft unsere Dünnhäutigkeit eigentlich sehr gut. Der gemeine HSV-Fan schluckt sei Jahr und Tag mehr oder weniger qualifizierte Bemerkungen über die Vorgänge im Verein und dessen Erfolge. Ganz nebenbei schwingt in diesen Bemerkungen immer der Vorwurf der Großkotzigkeit oder gar des Realitätsverlustes mit.

Nein, der HSV hat es uns in letzter Zeit nicht gerade leicht gemacht treu zu ihm zu stehen. Kaum ein Fettnapf wurde ausgelassen, das Personal auf und neben dem Platz verkam zu Austauschbaren Nummern, bei denen man immer glaubte, dass die eigenen Interessen über denen des Vereins standen. Weder Vorstand noch Trainer konnten das kickende Personal von diesem Phlegma, das die Spieler bestenfalls in den Leistungen stagnieren ließ befreien. Gelang einem Spieler trotzdem eine Weiterentwicklung, war er auch schon wieder weg.
Die ständig wechselnden Trainer stellten über Jahre die einzige sportliche Kompetenz dar und entsprechend heterogen zusammengestellt war oder ist denn auch der Kader.

Es heißt, dass schwache Führungspersönlichkeiten auch schwache Untergebene holen würden und gerade bei der Bestellung von Oliver Kreuzer, den man am vergangenen Sonntag bei seinem Sky90-Auftritt doch gerne mal tröstend in den Arm genommen hätte, als Sportchef hat sich diese Aussage einmal mehr bestätigt. In Köln laufen ob dieser Entscheidung momentan die Planungen zur Errichtung eines zweiten Doms. Nein, ich habe nicht für die Ausgliederung nach HSVPlus gestimmt, weil ich den Anteilsverkauf, oder Herrn Kühne so sexy fand, ich wollte einen Schnitt, einen Neuanfang.

Vier Monate nach dem Beschluss zur Ausgliederung stehen ein Torlosrekord, Platz 18 in der Liga, ein Trainerwechsel nach dem 3. Spieltag, Unruhe im Aufsichtsrat und obendrein ein Geldgeber, der wenn er intern kein Gehör findet ungeniert den Weg über die Öffentlichkeit sucht. Jeder dieser fünf Punkte ist natürlich Wasser auf die Mühlen derer, die uns die Lastminuterettung aus der letzten Saison noch persönlich krumm nehmen. Auch diejenigen, die sich gegen eine Ausgliederung nach HSVPlus eingesetzt haben fühlen sich gerade durch die Äußerungen von Kühne und Gernandt bestätigt.

Wer hier mit dem Lesen aufhört mag sich fragen, warum es HSV-Fans gibt, die dünnhäutig auf Häme und Polemik reagieren, schließlich hat man sich diese redlich verdient.
Im letzten Jahr haben wir diese, wenn es auch weh tat geschluckt, doch hat sich etwas verändert. Es gibt eine neue, eine andere Herangehensweise beim HSV, mit der ich mich identifizieren kann und die es sich in meinen Augen zu verteidigen lohnt.
Dietmar Beiersdorfer lebt sein Ideal von einem Fußballverein vor, auch wenn er in manchen Situationen dabei selbst unvorteilhaft oder gar naiv rüberkommt. Er motiviert Menschen ihm auch, aber nicht nur des Geldes wegen zu begleiten. Er hat keine Angst starke Leute wie Bernhard Peters neben sich zu installieren, wenn er glaubt, dass dieser der Beste für diese Position ist.

Man mag anmerken, dass es nicht im Sinne des Vereins sein kann, wenn man sich eine U23 Mannschaft zusammenkaufen muss, weil der eigene Nachwuchs nicht genug hergibt, doch die Art und Weise wie dies geschehen ist zeugt von enormer Kompetenz. Beiersdorfer, Zinnbauer und Peters sichteten jede Menge Talente, um sich diese schlagkräftige Truppe zusammenzustellen und dieses Gespür für Talent und das Erstellen einer funktionierenden Mannschaft lässt mich auch für die Zukunft im Nachwuchsbereich hoffen.

Es sind diese Ansätze und auch das Auftreten der Bundesligamannschaft unter Zinnbauer, die mich glauben lassen, dass der eingeschlagene Weg des HSV der richtige ist, dass der HSV unter der neuen sportlichen Leitung (ich bin sehr gespannt auf Peter Knäbel) sich in Richtung Seriosität bewegt und dass dieser Weg unterstützenswert ist, auch und gerade weil der HSV erst am Anfang des Weges ist. Ich habe seit langer Zeit mal wieder das Gefühl, als laufe es beim HSV momentan in die richtige Richtung.
Nein, es ist noch nicht alles so wie ich es gerne hätte und vor allem sportlich hätte ich mir schon etwas mehr erwartet, doch die Vereinsführung, oder der gesamte Verein braucht jetzt die Unterstützung der Fans und meine soll er bekommen, auch wenn ich dadurch manchmal etwas dünnhäutig erscheinen mag.