Sonntag, 21. September 2014

Mit Didi raus aus der Schublade

Durch meine (Neben-)Tätigkeit als Moderator des HSVTalks auf meinsportradio.de unterhalte ich mich mit vielen Menschen über den HSV. Dies nicht nur während den Talks, auch im laufenden Programm und bei Vorschau- und Analysesendungen sind meine Einschätzungen zum HSV gefragt. Nein, ich will und werde mich nicht als Experte aufspielen, bin ich dafür doch viel zu weit vom Geschehen entfernt, mir geht es um die Meinungen der Leute mit denen ich mich unterhalte. Auf Sendung und im Off.

Bei diesen Gesprächen stelle ich immer wieder fest, wie tief der HSV in der Schublade steckt, auf der Chaos und Inkompetenz steht. Bei jeder Meldung über, oder um  den HSV herum wird diese Schublade geöffnet, um dort die Attribute zu finden  mit der sich diese Meldung komplettieren lässt. Dabei wird sich oft nicht einmal die Mühe gemacht die eigentliche Meldung bzw. die Ursache dieser zu hinterfragen. Wird ein Trainer nach dem 3.Spietag entlassen herrscht Chaos! Hat der neue Trainer gleich zwei dicke Brocken vor der Nase liegt dies an der inkompetenten Vereinsführung, die den Neuen sofort wieder verbrennt. Dieses Schubladendenken wird von vielen Medien vorgelebt und deren Artikel und Meinungen auch von vielen gerade überregionalen Gesprächspartnern übernommen.

Jetzt bin ich bestimmt der Letzte der bestreitet, dass der HSV im letzten Jahrzehnt so ziemlich alles dafür unternommen hat um in dieser besagten Schublade zu landen, doch denke ich auch, dass es sich viele zu leicht machen, wenn sie diese reflexartig bei jeder Gelegenheit öffnen, ohne alternative Argumentationen in Betracht zu ziehen. Vielleicht war Beiersdorfer mit Slomkas Aufarbeitung der Niederlagen gegen Paderborn und Hannover so unzufrieden, dass er sich zum Handeln gezwungen sah und wenn es denn so war, dann musste er sofort handeln und durfte nicht warten, bis der Spielplan einen erfolgreichen Trainerwechsel wahrscheinlicher macht.
Wie weit ich selbst bereit bin mich bei Themen um andere Vereine von Schubladendenken zu lösen, lasse ich hier mal selbstkritisch offen…

Zu 120% chaotisch waren die diversen Äußerungen aus dem Umfeld des HSV, die eine Beurteilung der Entscheidungswege in der neugeschaffenen AG schwerer als notwendig machen, die Auswahl des Tagungsortes passt natürlich auch perfekt ins Bild und damit auch in die Schublade. Formulierungen wie „bis auf weiteres“ bei der Vorstellung eines neuen Trainers lassen zudem viel Raum für Deutung in alle Richtungen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht von Inkompetenz sprechen, aber wo Beiersdorfer in Zukunft die Hebel ansetzen muss ist sehr deutlich geworden.

Beiersdorfer ist in der glücklichen Lage auf einen Aufsichtsrat zurückgreifen zu können, der sich auch über seine eigentlichen Aufgaben hinaus als Ratgeber in (fast) allen Situationen des Tagesgeschäfts eignet und es wäre fahrlässig sich nicht mit den Räten über dieses auszutauschen. Bei diesem Austausch muss es aber auch möglich sein, die Mitglieder des Rates zur Verschwiegenheit zu bewegen. Gelegentliche Störfeuer aus Mallorca oder der Schweiz kann der HSV verkraften, wenn die eigenen Gremien sich nur zu Wort melden, wenn dies auch im Sinne des Vereins notwendig ist. Zum Tagesgeschäft hat sich also nur der Vorstand zu äußern.

Dieser wiederum muss wiederum an Klarheit in seinen Aussagen und Handlungen gewinnen. Es kann nicht sein, dass der neue Trainer bei seiner ersten PK mit Zitaten seines Chefs vom Vortag konfrontiert wird, weil diese Interpretationsspielraum lassen. Zu einer professionellen Arbeit gehört auch eine entsprechende Außendarstellung. Wie sehr es dabei auf Kleinigkeiten in Formulierungen oder Gesten ankommt sollte jedem bewusst sein. Und wenn es einmal hektisch wird, muss jemand aus dem Umfeld des Vorstands dafür sorgen, dass auch auf diese vermeidlichen Kleinigkeiten geachtet wird um aus der oben genannten Schublade zu entkommen.

Ob die Mannschaft dies schafft, muss sie in den nächsten Wochen zeigen. Gegen Bayern,  war ein lange vermisstes Engagement zu sehen. Eine Leistung, die der HSV in der letzten Saison gegen Leverkusen und auch gegen Dortmund, im ersten Spiel unter Slomka gezeigt hat. Dieses stand zwar durch den Tod von Hermann Rieger unter einer ganz besonderen Emotionalität, doch war es halt auch das erste Spiel eines neuen Trainers. Überschwang ist auch nach dem tollen Spiel von gestern absolut fehl am Platz und wie sehr ich mir auch wünsche, dass Joe Zinnbauer einen Weg wie Gisdol, Tuchel, oder gar Klopp gehen wird, möchte ich ihm den Ballast überzogener Erwartungen gerne ersparen.

Ich erwarte aber, dass die sportliche Leitung des HSV um Beiersdorfer, Peters und Knäbel(?), aus den vergangenen Tagen lernt und ihre Vision vom neuen HSV schärfen kann und der Verein so Stück für Stück aus der Chaosschublade herauskommt. Die Möglichkeit ist vorhanden, davon bin ich überzeugt!