Dienstag, 23. Dezember 2014

Hinrunde

Das war sie jetzt also, die erste Hinrunde der HSV Fußball AG, die Hinrunde in der so viel wie möglich besser werden sollte. Die Hinrunde der Demut und Bescheidenheit, der Ruhe im Umfeld, der neuen Identifikation und ganz nebenbei der sportlichen Konsolidierung. Die Hinrunde in der Brücken gebaut und Hände gereicht werden sollten, in der sich eine neue Stimmung in der Arena entwickeln sollte, oder besser musste.

Nach dieser schlechtesten aller Spielzeiten, mit dem ebenso nervenzerfetzenden wie überflüssigen Abschluss in der Relegation und der anschließenden Ausgliederung, nebst Abwanderung einiger Kritiker schrie der HSV förmlich nach Stabilisierung auf allen Ebenen.
So wurde ein Dietmar Beiersdorfer nicht nur geholt, weil man ihm den Job als Vorstandsvorsitzenden der AG zutraute, sondern auch wegen seiner integrativen Ausstrahlung als allseits beliebter HSVer. Ihm traute man neben der Erledigung der anstehenden Aufgaben auch zu, viele abwanderungsbereite Mitglieder im HSV zu halten.

Menschlich und in seiner Einstellung zum Verein über jeden Zweifel erhaben, machte sich Didi daran dem Kader die seiner Meinung nach notwendige Blutauffrischung zu geben. Schnell war klar, dass aus der Stammformation nur Badelj und der kleine Egomane mit der eigenen Realität zu ersetzen sein würden, wobei sich das Nur auf die Quantität bezieht. Lasogga wurde fest verpflichtet, mit Müller, Stieber, Ostrzolek und Green für mehr Tempo im Spiel nach vorne gesorgt, welches von Holtby in Szene gesetzt werden sollte. Defensiv wurde Behrami als Stabilisierung zwischen Mittelfeld und Abwehr geholt, letztere wurde durch Cleber perspektivisch verstärkt.

Auch wenn die Verpflichtungen zu Slomkas schnellen Umschaltspiel zu passen schienen, wurden ob der eingesetzten (Fremd) Mittel erste Stimmen der Kritik laut, da die wirtschaftliche Stabilisierung auf der To-do List ganz weit oben stand. Vor allem die Ausleihgeschäfte von Tah und Demirbay, bei gleichzeitigen Zugängen auf deren Positionen stieß auf Unverständnis, wollte man doch auch mehr auf den eigenen Nachwuchs setzen.
Als Mirko Slomka nach nur drei Spieltagen gehen musste, hatte der neue HSV schon wieder alle in den letzten Jahren erworbenen Klischees bedient. Die Sitzung in den Geschäftsräumen von Kühne&Nagel, sowie die unglücklichen Formulierungen (bis auf weiteres) bei der Vorstellung von Joe Zinnbauer ließen Zweifel aufkommen wer beim HSV die Entscheidungen trifft und wer dort in Kürze Trainer sein würde.

Es kostete Beiersdorfer viel Zeit und Medienpräsenz um diese Zweifel zumindest klein zu reden, gänzlich ausräumen konnte er sie nicht. Da Slomka und auch der entlassene Oliver Kreuzer gerichtliche Schritte gegen den HSV androhten war an Ruhe rund um den HSV mal wieder nicht zu denken.
Beiersdorfer hat sich früh auf Bernhard Peters und Peter Knäbel für die sportliche Kernkompetenz im Verein festgelegt, zwei Männer seines Vertrauens, mit denen er den Verein neu aufstellen will.
Dafür, dass dabei die Finanzen nicht völlig aus dem Ruder laufen soll Frank Wettstein sorgen, der seit Mitte November im Amt ist. Das Marketing wurde für drei weitere Jahre in die Hände Joachim Hilkes gelegt.

Doch über allem schwebt der Name Kühne. Um 17 Millionen Euro stockte der streitbare Milliardär sein Darlehen vor der Saison auf und ermöglichte so den oben erwähnten Einkaufsbummel Beiersdorfers. Angedacht war es sein Gesamtdarlehen (€ 25 mio) in Anteile umzuwandeln. Die Frist dafür ließ er allerdings verstreichen. Vorerst, wie Beiersdorfer versicherte, schließlich sei man in konstruktiven Gesprächen.
Mir ist ehrlich gesagt nicht so recht klar, was Herr Kühne eigentlich will. Er sagte er wolle keinen Einfluss auf die Geschäfte, hat aber mit Gernandt einen Vertrauten im Aufsichtsrat und mit Hilke einen im Vorstand der AG. Er sagt auch er wolle mit seinem Engagement kein Geld verdienen, was er auch durch seinen Verzicht auf die Transferrecht, die ihm durch das Anstoß³ Projekt zustanden bewiesen hat. Doch warum will er dann mehr Anteile für sein Geld?

Meiner Meinung nach sollte Herr Kühne jetzt einmal öffentlich Butter bei die Fische geben, also klipp und klar sagen was ihm vorschwebt und sich dann nur noch zu Wort melden, wenn es auch etwas ihn betreffendes zu vermelden gibt. Momentan macht er sich und auch die HSV-Führung nur noch unglaubwürdig.
Auch wenn Beiersdorfer betont die wirtschaftlich Lage der AG im Griff zu haben, pfeifen es nicht nur die Spatzen von den Dächern, dass man spätestens zur nächsten Saison auf Geld angewiesen ist, das man auf den herkömmlichen Märkten nicht mehr bekommen wird.
Intern wird schon mal gefragt, wieviel HSVPlus denn in der HSV AG noch steckt. Von den Initiatoren von einst ist aber weit und breit nichts zu hören.

Sportlich sorgte Joe Zinnbauer für frischen Wind, in dem er Spieler aus „seiner“ Zwoten hochzog und diese auch zum Einsatz brachte. In den 14 Spielen seiner Trainerlaufbahn blieb der HSV immerhin sechs Mal ohne Gegentor, was auf die erfolgreiche Stärkung der Defensive zurückzuführen ist. Dass man auch sieben Mal ohne eigenen Treffer blieb machte deutlich, woran es noch zu arbeiten gilt.
Dieses Minimalismus zum Trotz scheint der HSV in Zinnbauer den Trainer gefunden zu haben, der zur sportlichen Führung passt und auch bei der Mannschaft Gehör findet. Das „Magic“ Joe einst von Kreuzer geholt wurde verkommt dabei zur Randnotiz.

Die ersten drei Spiele nach der Winterpause werden nicht nur für Zinnbauer richtungweisend werden. Bei sechs Punkten und mehr gegen die Gegner an denen Slomka scheiterte käme man in ruhigeres Fahrwasser, was bestimmt auch bei der Suche nach frischen Geld hilfreich wäre, sollten es vier oder weniger werden, bliebe man im Abstiegssumpf stecken.
Die Mannschaft zeigte in den letzten zwei Spielen ihre unterschiedlichen Gesichter und es wird entscheidend sein, welches sie uns am 31.1.15 zeigen wird, wenn es  gegen Köln in die Rückrunde geht.