Dienstag, 16. Dezember 2014

Dominanz war gestern

Gegen die Mannschaften, die über einen stehen will man mitspielen, die die unter einem stehen will man dominieren. So, oder so ähnlich war die Einstellung, mit der der HSV in jüngerer Vergangenheit die Spiele angegangen ist. Sogar Mitte der vergangenen Rückrunde waren Äußerungen zu vernehmen, dass man doch eigentlich zu gut für den Abstiegskampf sei. Eine Einstellung, die nur deshalb keine fatalen Folgen hatte, weil es zwei Mannschaften gab, die noch ein bisschen schlechter waren und man sich mit zwei Unentschieden durch die Relegation mogelte.

Unter Zinnbauer habe ich erstmals das Gefühl, dass der Ausspruch das nächste Spiel ist das schwerste mehr als eine Floskel ist. Egal ob der Gegner Leverkusen, Mainz oder Freiburg heißt wird zuerst der sichere Stand der Defensive gesucht, auch wenn dies zu Lasten jeglicher Dominanz und mancher Offensivaktion geht. Diese Art zu spielen ist alles andere als ein Augenschmaus, doch steht sie beispielhaft dafür, dass sich das Selbstverständnis im Verein gewandelt hat. Wenn Zinnbauer nach der durchaus vermeidbaren Niederlage in Augsburg freimütig erzählt, man hätte gewusst wie hoch die Früchte hier wären und wie schwer es wäre daran zu kommen, mag es auf viele wie ein überzogenes Understatement wirken, auf andere wirkt es wie ein Ausdruck der neuen Bescheidenheit im Verein.

Natürlich ist die Diskrepanz zwischen der Lohnsumme des Spielerkaders und des Ertrages in Sachen Spielkultur riesig, doch die Erkenntnis, dass man manchmal zwei Schritte zurück machen muss, um einen nach vorne zu kommen ist genauso alt wie wahr.
Back to the roots heißt es also im Verein, sich auf grundliegende Eigenschaften im Fußball besinnen, diese verinnerlichen, um darauf später aufbauen zu können. Beim HSV ein neuer Ansatz, der auf der Erkenntnis beruht, dass man sich hat links und rechts von Konkurrenten überholen lassen.
Für mich ist es auch die einzige Herangehensweise, um den Verein etwas zu geben, auf das man fußen kann.

Ganz ähnlich sieht es in finanzieller Hinsicht aus. Da wurde auf dem Transfermarkt geklotzt, statt zu kleckern. Offensichtlich war die Absicht dabei sich zumindest sportlich in ruhigen Gewässern zu bewegen, um sich der strukturellen und finanziellen Probleme des Vereins annehmen zu können. Auch wenn diese im Nachhinein betrachtet falsche Entscheidung nicht meine gewesen wäre/ist, kann ich sie doch gut nachvollziehen. Die Folge daraus ist allerdings ein neuer immer größerer finanzieller Engpass, der die weitere Entwicklung des Vereins nicht vereinfachen wird.

Nein Sponsoren und Investoren stehen nicht Schlange, um sich beim HSV engagieren zu dürfen, der Campus ist noch nicht gebaut und im Sommer laufen diverse Spielerverträge aus. Letzteres sieht Peter Knäbel sogar als Chance, was zur Frage verleitet, ob sich dieser nicht bewusst ist, das bei Vertragsverlängerungen die Berater mitverdienen wollen und bei der Verpflichtung von Ersatz Ablösen gezahlt werden müssen. Andersrum spricht wenig dagegen einen Ilicevic durch Gouaida, einen Jansen durch Marcos und einen Rajkovic durch Tah zu ersetzen. Für Kacar bräuchte man keinen Ersatz und auch wenn ich einen Abgang von Tolgay Arslan bedauern würde, wäre dieser durch Steinmann zu kompensieren. Sollten dann auch noch ein van der Vaart und ein HW4 ihre Verträge zu deutlich verringerten Bezügen verlängern, wäre der momentane Kader gehalten.
Natürlich stehen auch dann für die Verpflichtung von „Big Names“ keine Mittel zur Verfügung, doch würde auch dies zu einer neuen Bescheidenheit im HSV passen.

Zugegeben hinter den getätigten Aussagen stehen viele Wenns und Abers und die finanziellen Altlasten sind auch noch da, doch wäre meiner Meinung nach eine solche Vorgehensweise wünschenswert. Der Aufbau neuer spielerischer Klasse wird nicht durch Transfers umzusetzen sein und sich daher noch hinziehen.
Fürs Erste bleibt also Geduld die oberste Tugend und die wird auch heute Abend gegen Stuttgart wieder gefragt sein, denn Dominanz war gestern.