Mein Freund und Kollege Thomas (@xxlhonk) hat sich mal wieder ein paar Gedanken zum HSV gemacht und mich gebeten sie hier veröffentlichen zu dürfen.
Darf er. Gerne sogar. Und selbstverständlich von mir unbearbeitet.
Mein Verein und ich
Das Leben eines Fußballfans ist das Leben eines Adrenalinjunkies. Jede Woche aufs Neue gibt es sportlichen Erfolg oder Misserfolg zu verarbeiten. Bei jedem Spiel sitzt/steht man im Stadion/vor dem TV und fiebert mit. Dabei sind diese Adrenalinschübe schon längst nicht mehr nur am Spieltag zu bekommen, sondern tagtäglich. Die Laune ist dermaßen abhängig von dem Spiel und dessen Ausgang, dass schafft kaum ein anderes Ereignis.
Ein Bundesligaverein ist etwas, was Massen bewegt. Und zwar physisch wie psychisch. Menschen fiebern mit dem Klub. Sie jubeln bei Siegen, sie leiden bei Niederlagen. Sie diskutieren jede Meldung, jede Schlagzeile, jedes Gerücht. Und davon gibt es viele. Also beim HSV nicht nur viele Niederlagen, sondern auch viele Gerüchte. Denn die kosten nichts, sind schnell in die Welt gesetzt und lassen sich wunderbar als Lückenfüller einsetzen, wenn es eigentlich nichts zu vermelden gibt. Wenn es mal gut läuft (ja diese Zeiten gab es auch mal beim HSV, ich weiß, dass ist kaum vorstellbar) herrscht noch lange keine Ruhe und Gelassenheit. Sondern dann wird halt das Haar in der Suppe gesucht.
Das Leben eines Fußball-Fans spielt sich also eindeutig auf der emotionalen Ebene ab.
Der Verein selbst ist hingegen etwas Reales. Etwas, dass nicht nur aus Niederlagen, Siegen oder Gerüchten und Meldungen besteht. Nein, ein Verein ist eine (oft auch mehrere) Mannschaften, ein Vorstand, viele Mitarbeiter, ein Stadion. Ein Verein ist damit, unabhängig von seiner Rechtsform, ein Unternehmen. Es geht Tag für Tag ums Business. Ums Geld. Und zwar viel Geld. Es geht im Alltag oft ums Überleben in der Liga und das sichern von vielen Arbeitsplätzen. Es geht, niemand wird das wundern, um sehr viel Geld. Emotion ist da nicht hilfreich, sondern strategisches Denken und Handeln. Der Verein muss sehen, wie er die Maschine am Laufen hält und möglichst erfolgreich ist oder ggf. wird oder bleibt. Wie schwer das zu sein scheint, sieht man in Dortmund und deren Tabellenplatz nach 13 Spieltagen. Natürlich sind die Dortmunder viel zu gut, um abzusteigen. Natürlich waren sie die letzten Jahre die Nummer 2 (manchmalsogar die #1). Aber manchmal reichen Kleinigkeiten, die ein solches Unternehmen ins Wanken bringen. Wenn dann die Emotion, die jeder Mitarbeiter/Spieler natürlich auch Tag für Tag hat, ins Negative kippen, werden Beine schwer, die vorher leicht über den Platz glitten. Wenn dann auch noch die eigenen Fans, also der stimmgewaltige Rückhalt, anfängt sich negativ zu äußern, bekommt das alles sehr einen Stimmungswandel und rutscht in einen Negativstrudel. Plötzlich wird alles in Frage gestellt, was gestern noch gut war. auf. Plötzlich gewinnen die Schwarzmaler und die Opportunisten (die auch mal an die Macht wollen) wieder die Oberhand. Und ein funktionierendes System fängt an auseinanderzubrechen. Ein Verein ist also ein Unternehmen, aber ein sehr fragiles. Das macht die Leitung so unglaublich schwer, weil jeder alles immer besser weiß. Das einzige Mittel um in Ruhe arbeiten zu können ist also Erfolg. Bei einigen ist der Realismus noch nicht abhandengekommen, da ist der Klassenerhalt ein Erfolg. Andere wären bei einem Klassenerhalt erfolgreich, doch sieht man das im Umfeld anders. Da ist der HSV seit Jahren ein gutes Negativbeispiel für. Anspruch und Wirklichkeit liegen Lichtjahre auseinander. Immer noch. Auch nach einem Jahr wie dem Letzten. Der Verein ist gerade im strukturellen Umbruch, der wichtig zu sein scheint. Aber er hat dabei den wichtigeren sportlichen Umbruch hinausgezögert und zahlt erneut dafür die Zeche. Man reagiert, statt planvoll zu agieren.
Und der Fan bekommt schon wieder schlechte Laune, aus dem erhofften Spaß wird schnell erneut Frust. Und ehe man sich versieht, will man, dass was gestern noch gut war, heute nicht mehr sehen. Das ist emotional nachvollziehbar, rational führt das aber in aller Regel zu Fehlentscheidungen. Statt langfristig zu denken, einen Plan zu verfolgen, gewinnt Aktionismus die Oberhand. Plötzlich soll ein anderer Trainer/Verantwortlicher es bessermachen, was vorher vielleicht einfach nur aus unterschiedlichen Gründen nicht klappte. Wo einfach mal etwas Glück geholfen hätte um das ganze Geschehen in eine andere Richtung kippen zu lassen. Geduld ist ein Fremdwort im Fußball. Da steht man, gezwungen durch den „Druck von außen“ schnell vor der Frage: Wer macht es jetzt? Wer wird neuer Trainer. Statt diese Entscheidung mit Ruhe und Bedacht zu treffen, entscheidet zu oft Verfügbarkeit und Zeitdruck, wer der neue wird. Doch passt der überhaupt zum Kader, zum System, zum Verein? Und womit solle er den Umbruch schaffen? Es sind dieselben Spieler, es sind die gleichen Bedingungen die der neue Trainer vorfindet. Klar kann man mit einer anderen Ansprache vielleicht den berühmten „neue Besen kehren gut –Huub Stevens“-Effekt erreichen.
Das sieht man, gerade in der Bundesliga, sehr häufig. Doch mittelfristig verändert sich nichts. Vor allem dann nicht, wenn dann das „Notmittel“ Trainerwechsel auch noch viel zu oft eingesetzt wird. Dann verliert das Mittel schnell die Glaubwürdigkeit und jeder (Spieler und Fans) denkt: „Der ist eh bald wieder weg“. Man liefert also vorher schon die Ausreden und bietet Auswege, statt an der Wurzel anzusetzen. Man bekämpft die Symptome nicht die Ursachen. Aber ändern tut sich nichts. Weder Emotional, noch nachhaltig im Verein. Und auch bei den Fans tritt irgendwann dieser Abnutzungseffekt ein. Irgendwann glaubt man das alles nicht mehr. Und irgendwann will man sich das alles auch nicht mehr antun. Ich für meinen Teil bin einfach nur noch müde, was den HSV betrifft. Mich nerven diese ganzen Storys, diese ganzen Gerüchte und alles immer wieder auf Neuanfang stellen wollen.
Ich will, dass man da endlich einen echten Plan umsetzt und das konsequent. Wenn es bedeutet, dass man (endlich) die alten, satten Spieler nach und nach rauswirft, dann bin ich (gerne) dabei. Ich will einen echten Plan und den Glauben daran von den Verantwortlichen sehen. Von allen. Mich nervt diese rumgeeier und herumexperimentieren. Und dieses alle drei Monate neue „Trainer muss weg“ Ding. Und wenn der Verein dann absteigt, ist das mir hundert Mal lieber, als dieses, wie ich finde, vereinsschädigende Verhalten. Man zerstört so die Marke HSV und dessen Glaubwürdigkeit. Mag sein, dass man dafür kurzfristig den wirtschaftlichen Wert etwas besser erhält, aber der ist mir egal. Ich bin an dem Verein emotional interessiert, nicht daran, den Marktwert eines einzelnen Spielers zu erhalten. Ich mag den Verein, weil er für etwas stand/steht. Fragt mich nicht für was, denn das sind in meinem Falle viele alte Erinnerungen. Aber so, wie er sich seit Jahren präsentiert, nimmt er mir nach und nach den Spaß und die Identifikation. Er beraubt mich der positiven Emotionen, die ich mit dem Verein verbinde. Und die ist doch alles was ich von und an ihm habe.
In meinem Falle muss ich, wenn ich tief in mich rein höre, fast schon sagen: Hatte.